Günstig, günstiger, Heizöl – kaum ein Superlativ passt derzeit besser als die aktuelle Preisentwicklung des ansonsten eher für hohe Kosten bekannten Brennstoffs. So haben sich die Kosten für Verbraucher mit Ölheizungen innerhalb der letzten 3 Jahre halbiert, und sind auf dem tiefsten Stand seit 2005. Hauptgrund des rasanten Preisverfalls insbesondere in den letzten beiden Jahren ist das herrschende Überangebot an Öl auf dem Weltmarkt.
Aktuelle Entwicklung und Vergleich zu den Vorjahren
Der Heizölpreis in Deutschland ist in den letzten sechs Wochen von einem ohnehin schon niedrigen Ausgangswert nochmals um rund 15 Cent pro Liter gefallen. Am 03. November kostete ein Liter noch 59,2 Cent, am 17. Dezember waren es sogar nur noch noch 44,8 Cent. Zum Vergleich: noch im Jahr 2012 lag der Preis nahezu während des gesamten Jahres über 85 Cent pro Liter. Die Angaben beziehen sich auf die Heizölsorte Extraleicht bei einer Abnahme von 3000 Litern.
Die Angebotsseite
Historisch kam es immer wieder zu Überangeboten auf dem Weltmarkt, die allerdings in der Vergangenheit von den Förderländern durch eine Drosselung der Förderung schnell abgebaut wurden. Dass dies diesmal nicht geschieht, liegt daran dass der Ölmarkt immer auch ein von politischen Interessen geprägter Markt ist. Dies umso mehr, seit die USA durch einen massiven Ausbau des Frackings vom Importeur zum Exporteur geworden sind. Es gibt zwei wesentliche Gründe, warum sich durch den aktuellen Preisverfall kein wichtiger Förderstaat veranlasst sieht, die Produktion deutlich zu reduzieren.
Grund für die weltweit hohen Förderquoten ist die Auffassung der Marktteilnehmer, dass die niedrigen Preise dem eigenen Budget weniger schaden als dem Wettbewerber. Es sind derzeit zu viele Anbieter auf dem Markt, die es sich wirtschaftlich nicht leisten können, ihre Ölförderung zu reduzieren.
Saudi-Arabien
Saudi-Arabien ist es sehr recht, dass der Preisverfall die amerikanischen Fracking-Unternehmen in ernste Schwierigkeiten bringt. Diese fördern Öl zu erheblich höheren Kosten, und können den Preisverfall deutlich schlechter verkraften als die Golfstaaten. Wenn es gelänge, sie aus dem Markt zu drängen, könnte Saudi Arabien langfristig mit höheren Einnahmen rechnen.
USA
Die USA wiederum wissen, dass die russische Wirtschaft – und damit auch der russische Staatshaushalt – in hohem Maße von Ölexporten abhängig sind. Amerika geht zu Recht davon aus, dass der sinkende Ölpreis Russland deutlich stärker unter Druck setzt, als es die gemeinsam mit der EU verhängten Wirtschaftssanktionen tun.
Russland
Ein wichtiges Beispiel aus den bereits erwähnten Gründen ist Russland. Das Land befindet sich in einem ökonomischen Teufelskreis. Es verfügt über große noch unerschlossene Ölvorkommen, die allerdings aufgrund ihrer Lage nur mit höherem technischem und finanziellem Aufwand erschlossen werden können. Die verhängten Sanktionen schneiden das Land aber sowohl von den Technologieimporten als auch von den ausländischen Investitionen ab. Da Rohstoffexporte die größte Einnahmequelle sind, reagiert Russland auf sinkende Ölpreise sogar noch mit einer Steigerung des Exports. Dieses zusätzliche Öl wird deutlich unter Wert hauptsächlich nach China verkauft.
Irak
Ein weiteres Beispiel ist der Irak, der als großer Exporteur wieder auf dem Weltmarkt aufgetaucht ist. Irak war lange Zeit mit Exportbeschränkungen belegt, außerdem waren die Förderanlagen aufgrund der internationalen Isolation des Landes in schlechtem Zustand. Nach dem Sturz Saddam Husseins im Jahr 2003 drängten westliche Firmen in den Irak, außerdem wurden die Exportbeschränkungen aufgehoben. Inzwischen hat die Förderung wieder das Niveau der 80er Jahre erreicht. Wie auch Russland kann sich der Irak wegen seiner Abhängigkeit von den Öleinnahmen keine Senkung der Produktion leisten. Zahlreiche weitere Länder befinden sich in ähnlich starker Abhängigkeit vom Export des Rohstoffs. So erzielt zum Beispiel Venezuela 96 Prozent seiner Einnahmen aus den Ölgeschäften.
Kurz zusammengefasst stellt sich die Angebotsseite so dar: Das einst mächtige OPEC-Kartell hat seine Macht über den Ölmarkt eingebüßt, weil erstens mit den USA ein weiterer großer Anbieter aufgetaucht ist, und zweitens die OPEC-Staaten zu keiner gemeinsamen Strategie mehr finden. Die OPEC, die rund ein Drittel des weltweiten Ölangebots liefert, kann die Preise nicht mehr kontrollieren. Stattdessen wirken die Marktgesetze von Angebot und Nachfrage.
Die Nachfrageseite
Deutlich weniger dramatisch fallen die Änderungen bislang auf der Nachfrageseite aus. Insbesondere zeigt sich, dass Länder wie China anderen ökonomischen Gesetzen folgen als klassische Industrienationen. Der Ölverbrauch eines Landes wie Deutschland kann recht zuverlässig anhand der Wirtschaftsprognosen abgeschätzt werden. Ein hohes (niedriges) Wirtschaftswachstum bedeutet einen steigenden (sinkenden) Ölverbrauch und umgekehrt.
Diese Regel wurde auch genutzt, um den Rohstoffbedarf in Staaten wie Indien, China, oder Brasilien abzuschätzen. Daher wurde wegen des verlangsamten Wachstums eine sinkende Nachfrage nach Öl vorhergesagt. Allerdings zeigte sich, dass dies nur bedingt zutrifft. Allein die rasante Zunahme der Zahl der Autos lässt den Ölbedarf deutlich steigen. Vergleichsweise geringe konjunkturelle Schwankungen des Energiebedarfs der Industrie wirken sich daher deutlich weniger stark aus. Kurz gesagt: Der wesentliche Effekt besteht darin, dass große Länder wie China oder Indien auf dem Weg zu Industriestaaten sind. Ob sich diese Entwicklung vorübergehend verlangsamt oder beschleunigt, hat verglichen damit nur geringe Auswirkungen auf den Ölmarkt. Aktuell ist die weltweite tägliche Nachfrage nach Öl trotz gegenteiliger Prognosen sogar geringfügig höher als vor einem Jahr. Auch für 2016 wird mit einem geringen Anstieg gerechnet. Angesichts der dramatischen Entwicklungen auf der Angebotsseite spielen die vergleichsweise geringen Schwankungen auf der Nachfrageseite jedoch nur eine untergeordnete Rolle.
Währungseffekte
Öl wird auf dem Weltmarkt in Dollar abgerechnet. Gegenüber dem Euro hat der Dollar im letzten Jahr deutlich an Wert gewonnen, wodurch Ölimporte teurer werden. Anfang 2015 war ein Euro noch rund 1,23 Dollar wert, jetzt ist der Kurs auf unter 1,1 Dollar gesunken. In ruhigeren Zeiten hätte dieser Währungseffekt einen entsprechenden Preisanstieg des Öls nach sich gezogen. Auch jetzt spiegelt sich dieser Währungseffekt im Ölpreis wider. Aber angesichts des Preisverfalls auf dem Ölmarkt hat dieser Währungseffekt den Preisrückgang in Deutschland lediglich ein wenig gedämpft. Zu beachten ist, dass der Einfluss von Währungsschwankungen auf den Ölpreis ansonsten deutlich komplexer ist. Die bloße Umrechnung der Preise von Dollar in Euro reicht nicht aus, um diesen Einfluss vorherzusagen. Im Regelfall führt ein starker Dollar wegen des damit verbundenen Ölpreisanstiegs zu einem deutlichen Rückgang der Nachfrage außerhalb des Dollarraums. Auch diese Wirkung tritt aktuell wegen des Preisverfalls nicht ein.